Anfrage: Notfallunterkunft für Jugendliche und junge Erwachsene

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

Jugendobdachlosigkeit ist ein bundesweit relevantes Thema; Schätzungen gehen von wenigen Tausend bis zu 37.000 Jugendlichen aus (Stand 2017). Dabei muss noch mit einer großen Dunkelziffer gerechnet werden. Die meisten davon zählen zur Gruppe der sogenannten Heranwachsenden, d.h. der 18-21-Jährigen. Diese fallen oftmals aus dem Fürsorgesystem der Jugendhilfe und haben daher keine Anlaufstelle, die für sie verantwortlich ist. Durch die Coronapandemie haben sich die Probleme verschärft, was auch hier in Augsburg spürbar wird. Sozialarbeiter/innen berichten vermehrt von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die wegen der großen räumlichen Enge und der familiären Konflikte gerade während der Lockdown-Monate die elterliche Wohnung oftmals im Streit verlassen, und sich dann schnell auf eigene Beine stellen müssen. Diese ersten Versuche enden häufig in Obdachlosigkeit oder Wohnungslosigkeit, d.h. Couchsurfen im Freundes- oder Bekanntenkreis. Ein weiteres Problem, gerade für Jugendliche aus Hartz-IV-Familien, besteht darin, dass sie bis zum 25. Geburtstag über ihre Eltern Hartz-IV-Leistungen beziehen. Wenn sie vor dem 25. Lebensjahr das Elternhaus verlassen, werden ihnen diese Leistungen fortan verwehrt und sie stehen ohne regelmäßige Einnahmen da, was die Mietzahlung einer eigenen Wohnung verunmöglicht.

Wir wollen für Jugendliche und junge Erwachsene Chancengerechtigkeit und eine stabile Unterstützung, um gut und sicher die ersten Schritte in ein selbständiges Leben zu machen. Bereits im Jugendhilfeausschuss am 18.01.2022 wurde das Thema Notschlafstellen für erwachsene junge Menschen in BSV 22/07103 als verbesserungsbedürftig identifiziert. Dazu wurde in der Beschlussvorlage festgehalten: „Eine entsprechende Notschlafstelle für Jugendliche und junge Volljährige (ab 14 bis unter 21 Jahre) wird über eine Interessensbekundung ausgeschrieben. Die Träger legen in einer Konzeption ihre Vorhaben zur Umsetzung der Notschlafstelle vor. Angestrebt wird zudem eine weitere Notschlafstelle für junge Erwachsene (18 bis unter 27 Jahre) in Zusammenarbeit mit der AG ‚Wohnungslosennothilfe‘“.

Um dieses Ansinnen mit Nachdruck zu unterstützen und einen detaillierteren Überblick über die Versorgungssituation sowie über Potentiale des Ausbaus und der Verbesserung der aktuellen Situation zu erhalten, stellen die Fraktionen CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgende

Anfrage:
1. Inwieweit stellen das Amt für Kinder, Jugendliche und Familien (AKJF) und/oder die Jugendberufsagentur (JUBAG) auch jungen Erwachsenen bis 25 Jahren Hilfe nach § 41 SGB VIII zur Verfügung bzw. welche anderen Stellen füllen mögliche Lücken im Hilfesystem derzeit,

2. Welche konkreten, kurzfristigen und/oder mittel- bis langfristigen Möglichkeiten gibt es, Notschlafstellen einzurichten, bzw. bestehende Notschlafstellen aufzustocken?

3. Falls kurzfristig Plätze bereitgestellt werden können:  Wo werden die zusätzlichen Schlafplätze, gerade in der kalten Jahreszeit, speziell für junge Erwachsene bereitgehalten?

4. Besteht bereits eine Zusammenarbeit des Referat 3 bzw. seiner nachgeordneten Dienststellen mit den Streetworker/innen des Stadtjugendrings (SJR) und der katholischen Jugendfürsorge (KJF), die in ihrem Alltag mit Obdachlosigkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen konfrontiert sind? Muss diese aus Sicht der Verwaltung zusätzlich ausgebaut werden?

Obdachlosigkeit erhöht nicht nur das persönliche Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus, auch die Gefahr von sexuellem und seelischem Missbrauch steigt durch z.B. das Abhängigkeitsverhältnis mit der/dem Gastgeber/in. Um eine Perspektive für ihr Leben entwickeln zu können, benötigen obdachlose Jugendliche und junge Erwachsene eine feste Anlaufstelle und pädagogischen Beistand. Beides ist für ihren körperlichen Schutz sowie für ihr seelisches Wohlbefinden unerlässlich und hilft dabei, einer Verstetigung der Obdachlosigkeit vorzubeugen. Nur so können sie Fuß fassen, sich ggf. um einen Schulabschluss bemühen, sich eine Ausbildung suchen, eine eigene Wohnung finden und damit den Grundstein für ein selbstbestimmtes Leben legen.

Mit freundlichen Grüßen

Leo Dietz
Fraktionsvorsitzender

Ruth Hintersberger
Stellv. Fraktionsvorsitzende

Verena von Mutius-Bartholy
Fraktionsvorsitzende

Marie Rechthaler
Stadträtin

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